
Die Welt hatte angefangen sich zu drehen und ich merkte,wie sich mein Fokus verlor. Mal das Getränk in meiner Hand – was war das eigentlich? - dann meine leere Hand, dann wieder das Getränk – das wievielte? Verwirrt runzelte ich die Stirn und entschloss dann, den nächsten Becher zu kippen. Es fühlte sich nicht gut an, aber es fühlte sich richtig an. Es war richtig, zu vergessen, indem ich mir Alkohol reinschüttete. Das war sogar sehr richtig. Die einzige richtige Möglichkeit...
Ich hickste unzufrieden. Wo war der Tresen hin? Die Hände um den Becher geklammert drehte ich mich um mich selbst und stolperte dabei beinahe über meine eigenen Füße. Panik stieg in mir auf. Ich wollte nicht nüchtern werden. Nüchtern zu werden würde mich wieder in eine andere Welt katapultieren, in eine Welt, in der ich an
sie denken musste. Aneela...
Plötzlich rempelte mich jemand an. Der Becher flog mir aus der Hand. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, wer da vor mir stand.
„Werd endlich erwachsen. Kein Wunder, dass Aneela den anderen gewählt hat.“
Perplex sah ich ihn an, während die Welt langsam zur Ruhe kam. Das melancholische Gefühl wich einer Hitze, die mir in die Wangen stieg. Dann war er plötzlich weg.
Hastig sah ich mich um und sah ihn schließlich zwischen den Ruinen verschwinden. Mit einem immer weiter aufkommenden Hass folgte ich ihm torkelnd und mich abstützend, tiefer in die Ruinen. Und dabei staute sich die Wut in mir immer weiter, bis ich hinter ihm stand.
Der erste Schlag ging daneben. Der zweite traf. Meine Hand schmerzte. Sein Kiefer hoffentlich auch.
„Halt dein Maul, Asher. Du hast doch keine Ahnung.“ Ich spuckte ihm vor die Füße. Mir war schlecht und ich zitterte. Keine Ahnung hatte er, absolut keine Ahnung.
Ich hob noch einmal die Faust.

Gabriel lächelte mir zu und ich hob kurz die Mundwinkel, um zu zeigen, dass ich ihn bemerkt hatte. Ich kam recht gut mit ihm aus, er war sympathisch und freundlich, selbst mir gegenüber.
„Wir sollten wohl wirklich zu den Ruinen gehen und ihn dort suchen…“, sagte er.
Wieder ein Blick zu den Ruinen. Der Kleine war sicher nicht der einzige dort, für gewöhnlich tummelten sich an solchen Orten neben Verirrten noch Paare, die sich, vom Alkohol angespornt, eine freudige Nacht an einem stillen Plätzchen machen wollten. Zumindest war das auf den normalen Festen so, die ich leidiger Weise kannte. Das sollte man dem Kind ersparen, ganz abgesehen davon natürlich, dass Ruinen immer eine gewisse Unsicherheit bedeuteten. Nässe und Dunkelheit sorgten dafür, dass man schnell Orientierung oder Bewusstsein verlor.
„Eventuell wäre es klug, von mehreren Seiten zu suchen“, schlug ich vorsichtig vor. Meine Angewohnheit, Befehle zu erteilen, war bei den Azallen schlicht weg fehl am Platz. Hier hatte ich keine hohe Stellung, hier war ich froh, wenn man mir freundlich gesinnt war. Allerdings wollte ich nicht sinnlos durch Höhlen streifen, für ein Kind, das sich einen schlechten Scherz erlaubt hatte.
Ich fragte mich, ob es jetzt in meiner Verantwortung lag, mit zu suchen. Eigentlich hatte ich nicht sonderlich viel Interesse daran. Gabriel hatte eine Begleiterin bei sich, die ihm helfen konnte und wenn Kilian Bescheid wusste, hatte er sich auch bereits auf die Suche gemacht. Andererseits bot dieses Fest nur wenige Annehmlichkeiten und ich war ohnehin nur erschienen, um mich irgendwo nützlich zu machen. Jeremy war eine willkommene Überraschung gewesen, die mich tatsächlich freute. Allerdings war er inzwischen sicherlich damit beschäftigt, Becherböden zu erkunden.