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Ich kam mir ziemlich nutzlos vor, wie ich hier stand und die männlichen Parts unseres Teams dabei beobachtet, wie sie sich mehr oder weniger enthusiastisch durch die Erde buddelten. Andererseits bekam ich so die Gelegenheit mir in einigen ruhigen Minuten das bereits Geschehene noch einmal vor Augen zu führen. Je länger ich jedoch darüber nachdachte, desto beklemmender wurde das Gefühl in mir, das sich mittlerweile wie ein stetiger Begleiter in meinem Inneren manifestiert hatte. "Seelenspiegel...", murmelte ich fast unhörbar, während meine Augen einen nach dem anderen in Betracht zogen. Erst dadurch registrierte ich die Abwesenheit zweier unserer Leute und misstrauisch versuchte ich sie in der näheren Umgebung auszumachen. Ohne Erfolg...
Die Genugtuung, die ich bei dieser Arbeit empfand, befreite meinen Kopf endlich vorübergehend von den nervtötenden Gedanken, die mich seit Beginn unserer Mission verfolgten. Ruhe. Leere. Eine willkommene Abwechslung dieser Tage.
Ein lautes "Klonk", riss mich jedoch aus meiner Lethargie und stirnrunzelnd fegte ich mit einem Fuß die lockere Erde beiseite, um das Objekt noch ein wenig mehr freizulegen, welches sich hier gerade vor mir auftat. "Wo sind die Spezialisten für den Hokuspokus?", gab ich tonlos von mir und trat einen Schritt zur Seite, um besagten Individuen ein freies Blickfeld zu schaffen.
Meine Schritte gerieten ins Stocken, als die unerwartete Frage an meine Ohren drang. Lauter, als die überquerte Distanz zuließ. Es schien, als sei mir der charmante Flaum zu seinem Leidwesen gefolgt. Etwas später und ich hätte womöglich Bedauern empfunden. So jedoch wandte ich mich mit einem unschuldigen Lächeln zu dem Engel um, der sich gerade in Angelegenheiten einmischte, die sein Verständnis bei weitem überstiegen.
„Du bist aufmerksamer, als ich dir zugetraut hätte.“, gestand ich gelassen, ehe ich das Verhalten des Blonden spiegelte und ebenfalls einen Schritt auf ihn zutrat. „Du willst es wirklich wissen? Dann will ich mal nicht so sein…“
Zu einfach. Meine Haut kribbelte, als ich mich auf die Zehenspitzen stellte, um sein Ohr zu erreichen. Der perplexe Gentleman kam mir auf halben Wege entgegen, um Zeuge des Geständnisses zu werden. Mein Abschiedsgeschenk an Gabriel, der die sich zuziehende Schlinge zu spät als solche erkannte. Sein Blick weitete sich. Der nächste Atemzug von dunklen Rauchmassen erstickt, die ihn einen Wimpernschlag später verschlangen. Teilnahmslos betrachtete ich die ausgebrannte Fläche, in der er soeben noch gestanden hatte. Falls er je einen Weg hinausfinden sollte, wäre es längst zu spät.
Noch etwas abwesend hob ich die blutende Handfläche und betrachtete diese kurz, ehe ich die kleine Scheibe hervorholte, die den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Kaum, dass die darauf eingravierten Runen in Kontakt mit der roten Flüssigkeit kamen, leuchteten diese auf. Die letzte Bestätigung, die vonnöten war. Mit einem Grinsen auf den Lippen setzte ich meinen Weg fort.
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Es war kein Konkurrenzkampf. Und trotzdem störte es mich, dass das Arschgesicht neben mir als erster fündig wurde. Ein Stöhnen unterdrückend stieß ich meine Schaufel in die Erde neben mir und blickte über Calebs Schulter hinweg zu den aufgewühlten Brocken, zwischen denen sich mein Freifahrschein aus dieser unfreiwilligen Wohngemeinschaft befinden sollte. Hoffentlich behielt die kleine Hexe Recht, wo immer sie sich auch gerade befand.
Entgegen der eigentlichen Dringlichkeit fiel die Reaktion der Anwesenden eher verhalten aus. Keiner machte Anstalten das Fundstück zu untersuchen. Selbst der Entdecker wollte diese Ehre jemanden überlassen, der für „Hokuspokus“ zuständig war. Was stimmte mit diesen Gestalten bloß nicht?
„Was gibt es da zu überlegen? Hol das scheiß Teil raus, damit es weitergehen kann.“, platzte es aus mir heraus, ehe ich an dem Muskelpaket vorbei trat und den Erdklumpen nur bedingt vorsichtig herausfischte. Ein paar Handgriffe später hatte ich die klebrige Schicht beiseite gewischt und war imstande das Gebilde zu erkennen. Auf meiner Handfläche ruhte nun ein mittelgroßer Schädel.
Ein gottverdammter Schädel. So langsam machte die Abwesenheit unserer Pfadfinderin Sinn.
„Wo ist das kleine Miststück?“, fragte ich in die Runde, während meine Augen bereits nach Hinweisen für Violetts Verbleib suchten. So weit konnte die Göre noch nicht sein. Eigentlich hätte ich es mir denken können.
„Fuck.“
Missbilligend hob sich eine meiner Brauen in die Höhe, als ausgerechnet Caim meiner Aufforderung als erstes nachkam. Das hätte ich nun auch gekonnt...
Meine Neugier überwog jedoch in soweit, dass ich den Hornochsen ersteinmal stumm gewähren ließ und entschied notfalls immer noch seine Bestrebungen rechtzeitig unterbinden zu können. Dass dies sich als unnötiger Gedanke herausstellte wurde jedoch leider nur zu schnell deutlich. Irgendetwas lief hier ganz und gar nicht nach Plan und allmählich spürte ich erneut die Frustration in meinem Inneren brodelnd aufkeimen. Jemand war an diesem erneuten Misserfolg Schuld und wenn ich den suchenden Blick meines Nebenmann richtig deutete, schienen sich wohl dieses Mal ihre Meinungen in die selbe Richtung zu bewegen.
Ein leises Knurren entrang meiner Kehle, doch noch ehe ich meinem Instinkt Folge leisten und zur Verfolgung der Missetäterin aufbrechen konnte, spürte ich einen jähen Schmerz in meinem Kopf aufflammen, der mich abrupt zum Innehalten zwang.
Leicht taumelnd wich ich vor dem Gefühl zurück, welches ohne jegliche Vorwarnung plötzlich von mir Besitz ergriff und mich schlussendlich auf die Knie zwang. Gefangen in einer Wolke aus schwarzem Nebel und dem Gefühl die Welt würde um uns herum verschwimmen, drückte ich meine zitternden Hände gegen meine Stirn und keuchte leicht auf, als der Schmerz und das Beben ebenso schnell wieder von mir abließen, wie sie gekommen waren.
Noch mitgenommen von der überraschenden Wendung, hob ich blinzelnd den Blick und bemerkte, dass es meinen Mitstreitern wohl ähnlich ergangen sein musste. Und noch etwas hatte sich verändert. War ihre Anzahl bereits zuvor dezimiert worden, so fehlten nun noch weitere Mitglieder ihrer Gruppe. Lediglich Caim und Caleb schienen nicht wie vom Erdboden verschluckt und angsterfüllt richtete ich mich mühselig wieder auf und nahm hektisch unserer nähere Umgebung in Augenschein. "Wo sind sie hin?", entfuhr es mir schwach.
Eigentlich hatte ich mit etwas mehr Zeit gerechnet. Doch die Goldlocke hatte ihre Aufmerksamkeit wahrscheinlich vorzeitig auf mich gelenkt. Wer mochte es schon, wenn man sich seiner Spielzeuge bemächtigte? Diese himmlischen Spielchen. Wie ich es satt hatte. Natürlich waren die kleinen Übel einfacher zu ertragen, wenn man nicht selbst der Leidtragende war. Eine hilflose Marionette, die sich dem Willen argloser Kinder beugen musste. Ich hatte bei weitem noch nicht genug Distanz zwischen mich und die Verfolger gebracht. Doch wie es schien, lief mir die Zeit davon. Zwischen dem Gestrüpp erblickte ich schließlich eine tote Eiche in einigen Metern Entfernung. Sollte reichen.
Mit blutigen Fingern zeichnete ich die mir vertrauten Siegel auf der getrockneten Rinde. Wissend, dass meine Theorie weit hergeholt war. Und trotzdem schien es das Risiko wert.
„Ihr wollt das Spiel der Seelenspiegel aufrechterhalten? Ich zeige euch gerne, was ich davon halte…“
Ähnlich, wie die Runen zuvor, leuchteten die Symbole auf, kaum dass ich meine Handfläche zurückgezogen hatte. Das spröde Holz geriet in Wallung. Knöcherne Äste, die sich weiter ausbreiteten und die Umgebung allmählich dunkler tauchten. Das mittlerweile schimmernde Siegel entglitt zwischen meinen Fingern und blieb langsam rotierend in der Luft hängen, während die Temperaturen rapide anstiegen. Dann zerbarst der Stamm. Kochende Flammen schossen aus der Öffnung und verwüsteten die saftig grüne Landschaft um mich herum. Fauna, die knisternd verkümmerte und rauchend Flammen fing. Meine Pupillen zwei glühende Kohlen, die das Inferno weiter entfachten.
~~~
Der Schädel polterte mit einem dumpfen Laut zu Boden, was ich nur am Rande mitbekam. Fahrig fuhren meine Finger über die pulsierende Stirn, die die plötzlichen Schmerzen noch nicht ganz verarbeitet hatte. Ein kurzer Blick zur Seite verriet, dass es nicht nur mir so ergangen war. Der andere Grabschänder wirkte neben sich. Der dunkelhaarige Engel kauerte auf dem Boden herum. Waren eben nicht noch mehr Silhouetten um das Loch versammelt gewesen? Eine irrelevante Erkenntnis, auf die der weibliche Part zu sprechen kam.
„Wenn kümmerts?“, entgegnete ich scharf, ehe ich aus dem Loch sprang und versuchte durch den Schleier hindurch etwas zu erkennen. Erst, als ich die Augen zusammenkniff, bemerkte ich den dunklen Rauch, der langsam aber stetig gen Himmel emporstieg. „Diese kleine…“
Keine weitere Zeit verschwendend nahm ich schwankend die Verfolgung auf. Es brauchte nicht lange, bis ich bereits auf die erste „heiße“ Spur stieß. Eine mit frischen Blutsprenkeln verzierte, ausgebrannte Fläche inmitten einer makellosen Gras- und Mooslandschaft. Die schwarzen Rauchschwaden, die den blauen Himmel allmählich verdrängten, gaben hinreichenden Aufschluss über die Richtung, in die die Feuerhexe geflohen war. Ein Keuchen entwich mir und ich presste die Finger an meine Brust, als die nächste schmerzhafte Welle durch meinen Körper jagte. Was auch immer hier vor sich ging, es konnte nichts Gutes bedeuten.
Natürlich war die Reaktion des Dämonen ohne jegliches Mitgefühl. Was hatte ich auch anderes erwartet? Dennoch missfiel mir die Gleichgültigkeit seiner Worte, auch wenn ich den Grund dafür nicht ansatzweise begreifen konnte. Doch gab es jetzt auch bei weitem dringendere Angelegenheiten die meiner Aufmerksamkeit bedurften, weshalb ich meinen noch leicht verschwommenen Blick in die Ferne schweifen ließ, in der Hoffnung, dort des Rätsels Lösung zu erhaschen. Der Anblick der sich uns jedoch bot, war nur noch beunruhigender.
Einen kurzen, einvernehmlichen Blick mit Caleb austauschend, beschlossen wir also dem dritten im Bunde aus Mangel an anderen Alternativen zu folgen, als kurze Zeit darauf ein weiterer Schmerz meinen Körper ereilte. Weitaus weniger intensiv jedoch anscheinend als bei meinem Nebenmann, der nun qualvoll am Boden lag und krampfhaft seine Hände in seine Brust krallte. Instinktiv sah ich zu Caim auf, der ebenfalls angeschlagen, aber längst nicht so eingenommen wirkte, wie sein Genosse.
Was zur Hölle?! Allmählich hatte ich die Schnauze von diesem Hokuspokus gestrichen voll. Doch viel Zeit meinem Unmut nachzukommen blieb mir nicht, denn was immer auch gerade wieder für ein seltsamer Schmerz in mir aufkeimte, schien plötzlich von jeder Faser meines Körpers Besitz zu ergreifen. Heiße Glut schoss durch meine Nervenstränge, sammelten sich in meiner Brust und schien alles in meinem Inneren zu zerbersten. Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Gefangen in Dunkelheit und glühender Lava, welche die Hölle wie ein laues Lüftchen erscheinen ließ und mir jegliche andere Sinne trübte, wälzte ich mich keuchend über das geschundene Gras, betend, dass der unbändige Schmerz endlich nachlassen würde.
Eine gefühlte Ewigkeit später wurde mein Flehen erhört. Zitternd und mit einem lauten Schnaufen, kämpfte ich mich zurück auf die Beine. Drückte das Wesen neben mir unsanft aus dem Weg und taumelte ziellos weg von dem Ort des Geschehens. Blind vor Wut und erfüllt von einer inneren Leere, die mir fremd war, stolperte ich weiter. Hin zu dem ungreifbaren Gefühl, das irgendwo in der Ferne nach mir zu rufen schien und mich vollends einnahm, sodass ich die Zerstörung um mich herum nicht mal im Ansatz wahrnehmen konnte. Dann endlich schien ich mein Ziel erreicht zu haben. Unfähig dem Impuls zu widerstehen, schlangen sich meine Finger um einen zierlichen Hals, rissen das Geschöpf weg von der Quelle des Schmerz, ehe ein erneuter Blitz mich durchfuhr und ich nur vage wahrnahm, wie unsere beiden Körper mit einem Ruck zurückgeschleudert wurden.
Ich hatte von Vornherein mit Widerstand und unvorhergesehenen Widrigkeiten gerechnet. Und doch traf mich deren Intensität unerwartet. Jeder kleinste Gedankengang war ein unmöglicher Balancierakt angesichts der reißenden Flut in meinem Inneren, die mir den Verstand zu rauben drohte. Die Verantwortung mir keine Fehler erlauben zu dürfen machte das Ganze nicht unbedingt leichter. Konnten sie doch Folgen nach sich ziehen, die ich keinesfalls riskieren wollte. Nicht mehr lange. Gleich. Nur noch ein paar Augenblicke. Ich konnte spüren, wie die Verbindung stetig schwächer wurde. Durchhalten. Den Atem ruhig halten. Mit dem Ziel vor Augen. Bis die schlimmstmögliche Option eintrat.
Verständnislos starrte ich in das dunkle Augenpaar, als deren Schatten sich unvermittelt vor mir aufbaute. Noch ehe die Erkenntnis sich ihren Weg an dem schmerzhaften Nebel vorbei bahnen konnte, schnitten Finger wie Drahtseile meine Luftzufuhr ab. Das mühsam zusammengehaltene Konstrukt fiel mit einem Ruck in sich zusammen.
Nein.
Es war vorbei. Geblendet kniff ich die Augen zusammen, als die freigesetzte Energie mich mehrere Meter zurückschleuderte. Polternd landete ich schließlich im Dreck. Ein Husten entrang meiner Kehle, ehe ich frische Luft in meine Lungen strömen ließ, während die Finger verspätet zum eigenen Hals fuhren. Mein schwammiger Blick verharrte an der Stelle, an der zuvor noch das Siegel in der Luft rotiert war. Auf der Suche danach erkannte ich denjenigen, der für diesen Schlamassel verantwortlich war.
„Was hast du getan…“
Mehr ein Flüstern, welches zittrig meiner heiseren Kehle entrang, während ich mich mühsam in eine sitzende Position kämpfte. Die Augen starr auf Caleb gerichtet. „WAS HAST DU BLOß GETAN?!“, schrie ich ihm gleichermaßen wütend, wie verzweifelt entgegen und vergrub die Fingernägel dabei in der Erde vor mir. Eine klägliche Niederlage also. Trotz allem spürte ich immer noch die Verbindung, die mich an diesen Ort kettete. Die kurzweilige Hoffnung erstarb zeitgleich mit den erlöschenden Flammen um uns herum.
„Du törichter Idiot…“
~~~
Schwankend lehnte ich eine Handfläche gegen den nächstbesten Baumstamm, um das Gleichgewicht zu wahren. Die andere krallte krampfhaft am Stoff des Oberteils, als könne dies etwas an den Schmerzen ändern. Der Dämon neben mir war weniger vorausschauend und ein wenig schadenfroh verfolgte ich, wie er spasmisch vor meinen Füßen kauerte.
Unerwartet spürte ich den Blick des einzigen, verbliebenen Engels auf mir und zuckte als Reaktion möglichst unberührt mit den Schultern. Ich war mir nicht sicher, was sie von mir erwartete. Ich würde es auch nicht erfahren, da der fleischgewordene Rammbock hervorschnellte und sie dabei beiseitestieß. Im ersten Reflex streckte einen Arm in ihre Richtung aus, zog diesen jedoch wieder zurück, als sie das Gleichgewicht wiederfand. Stattdessen sah ich dem Verrückten nach, der sich wagemutig in den brennenden Gefahrenherd stürzte.
Nicht sicher, worauf das Gesehene hinauslief, setzte ich mich ebenfalls in Bewegung, als ein plötzlicher Lichtblitz mich innehalten ließ. Instinktiv hielt ich einen Arm vors Gesicht und erschuf eine Windbarriere, die mich, als auch die gefiederte Nachzüglerin vor der ausbrechenden Druckwelle abschirmte. In der Ferne konnte ich zwischen den Rauchmassen eine rotierende Form ausmachen, die brennend in unsere Richtung ausscherte. „Fuck!“, schaffte ich nur herauszubringen, als das Gebilde geradewegs auf uns zuschoss. Glücklicherweise rauschte es knapp an unseren Köpfen vorbei. Dem Geräusch des Aufpralls kurz darauf nach zu urteilen krachte es in einen der Bäume hinter uns. Erst jetzt realisierte ich, dass die anhaltenden Schmerzen unvermittelt nachgelassen hatten.
Ohne dass ich mir wirklich erklären konnte, weshalb, wanderte mein Blick kurz zur Dunkelhaarigen. Anschließend wandte ich mich um und machte mich auf die Suche nach dem sonderbaren Objekt.
Der dampfende Baumstamm war glücklicherweise schwer zu verfehlen. Als ich davor zum Stillstand kam, erkannte ich die mittelgroße, rötlich leuchtende Scheibe, die einen tiefen Riss an der Seite aufwies. Vorsichtig streckte ich einen Arm danach aus. Den anfänglichen Impuls das Relikt zu berühren, unterließ ich jedoch, als ich die Hitze spürte, die von ihm ausging. Was um alles in der Welt hatte die Rothaarige angestellt?
„Ist das eines dieser Siegel da?“, rief ich an niemand bestimmtes, ohne meine Augen von dem Gebilde zu lösen.
Schwer atmend, lehnte ich mit meinem Rücken gegen einen durch den Rückstoß in Mitleidenschaft gezogenen Stamm und versuchte das Geschehene halbwegs zu realisieren. Der unbändige Schmerz hatte nun vollständig von mir abgelassen. Doch was noch wichtiger war, war die Tatsache, dass diese alles verzerrende Leere in mir verschwunden war, weshalb trotz meines Gefühlschaos die Erleichterung in mir vorherrschte. Die Vorwürfe der jungen Dämonin prallten deshalb auch ungerührt von mir ab und nur langsam schien sich meine Umgebung um mich herum wieder zu einem zusammenhängenden Bild zusammenzuschließen. Mein Blick wurde jedoch abermals getrübt, als der Engel Wassermassen über den verkohlten Erdboden laufen ließ und der darauf aufsteigende Dunst die Luft erfüllte.
"Die Frage könnte ich durchaus zurückgeben", hustete ich mit geschlossenen Augen und noch immer angeschlagen zurück, verwirrt von der Ruhe in meinem Inneren, die mich weiterhin bewegungslos verharren ließ.
"Caleb!", rief ich dem offenbar wahnhaft gewordenen Dämonen nach, der blindlings und ohne jegliche Reaktion darauf nun weiter vorpreschte. Verdammt, wir durften nicht noch mehr Leute aus den Augen verlieren! Also setzte ich den beiden Verbliebenen nach und erzeugte im Laufen eine Wasserschicht um meinen Körper. Denn anders als meinen Begleitern, setzte mir die flimmernde Hitze, die ständig zunahm mittlerweile deutlich zu. Zum Glück war der Schutzwall den Caim erzeugte groß genug um auch mich vor der immensen Druckwelle zu schützen, die offenbar durch die Konfrontation des Dämonenpaars erzeugt wurde. Die nächste Gefahr kam jedoch so unverhofft, dass keiner von uns auch nur den Versuch wagen konnte uns zu beschützen, weshalb ich lediglich entsetzt den kurzen Blick des Dunkelhaarigen erwiderte, ehe dieser auch schon wieder aus meinem Sichtfeld verschwand. Zerknirscht ballte ich meine Hände kurz zu Fäusten und ließ das kühlende Element seinen Weg über meinen Körper hinausfinden. Dann hörte ich erneut Caims Stimme durch den Dunstschleier und zaghaft folgte ich dieser, bis ich plötzlich unvermittelt neben dem Dämon zum Stehen kam. Ich schluckte den aufkeimenden Kloß in meinem Hals hinunter, ehe ich verunsichert nickte. "Und es ist offenbar beschädigt", stellte ich kleinlaut fest, auch wenn diese Tatsache vermutlich mehr als offensichtlich war. Dennoch streckte ich behutsam meine Finger nach dem Siegel aus, verharrte jedoch angesicht des pulsierenden Gefühls, die von dem Objekt ausging, kurz davor. Stattdessen sammelte ich erneut Wasser in einer meiner Handflächen und ließ es dann behutsam Richtung Siegel wandern. Es zischte laut auf, als die Hitze das kühle Nass zum Verdampfen brachte und es brauchte mehrere Sekunden bis mein Element endlich seine Wirkung entfaltete. Was hatte sich dieses Teufelsweib nur dabei gedacht? War es doch unsere Aufgabe die heiligen Monumente zu beschützen und damit jedes lebende Wesen vor dem Untergang zu bewahren...
Der arglose Dämon schien sichtlich unberührt angesichts meines Ausbruchs. Schließlich war er sich nicht darüber im Klaren, was er angerichtet hatte. Und dann besaß er auch noch die Frechheit meine eigenen Worte auf mich zurückzuwerfen. Während die nassen Perlen auf unsere Körper und die uns umgebende Landschaft herabprasselten, reckte ich mein Gesicht resigniert zum Himmel und ließ das Gefühl der Taubheit zu, die von meinen schmerzenden Gliedern Besitz ergriff.
„Werter Caleb… du hast soeben eigenhändig die Auflösung der Seelenspiegel verhindert. Ich hoffe du magst diesen Ort… denn wir werden jetzt noch eine ganze Weile hier verbringen dürfen… ob wir nun wollen, oder nicht.“
Bitter schloss ich die Augen und versuchte allmählich auf die Beine zu kommen.
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Mein flatterhafter Navigator wurde seines Namens gerecht und beantwortete etwas verzögert meine Frage. Wir hatten gefunden, wonach wir gesucht hatten. Nur war es noch rechtzeitig? Stumm verfolgte ich, wie die Dunkelhaarige ihre Fähigkeit nutzte, um der Scheibe seine Hitze zu entziehen. Anschließend griff ich danach und löste das Metall mit einem Ruck aus dem gesplitterten Holz. So aus der Nähe betrachtet sah das Teil nicht sehr eindrucksvoll aus.
„Kann es noch nützlich sein? Oder war der ganze Spaß jetzt deshalb umsonst?“, entwich mir in Gedanken, ehe ich meine Augen fragend zu dem Engel bewegte. Im Gegensatz zu mir schien sie mehr über diese sonderbaren Relikte und alles damit Einhergehende zu wissen. Und so sehr mich der Gedanke daran auch störte, so mehr wurde mir langsam bewusst, dass etwas Hintergrundwissen nicht schaden konnte. Seufzend strich ich mir die mittlerweile nassen Haare zurück und drehte meinen Kopf in Richtung der Stelle, an der zuvor noch ein kleines feuriges Inferno getobt hatte. Nun herrschte dampfende Totenstille. Vielleicht hatten die beiden Dämonen sich ja gegenseitig die Lichter ausgeknipst? Würde mir zumindest etwas Arbeit ersparen. Apropos rothaarige Hexe…
„Vielleicht hat die kleine Hure ja noch mehr von den Scheiben bei sich.“, mutmaßte ich unberührt, ehe ich mich umwandte und langsam zurücklief. „Reicht jetzt mit dem Geplätscher… es brennt doch nicht mehr.“
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