
Ohne die Hände wegzunehmen, beugte sie sich vor und sah mich an.
„Gern geschehen.“ Sie klang vergnügt und pustete mir ins Gesicht. Mürrisch blinzelte ich. Violett war... seltsam. Furchtbar nervig und laut, unnötig und in jedem Fall barg sie das große Risiko für ein heilloses Chaos, dem ich mich, wie ich befürchtete, nicht entziehen können würde.
Ich spürte, wie sie den feuchten Lappen wegnahm. „Und nur, weil es bei uns schneller heilt, heißt das ja nicht, dass man jede Verletzung auf die leichte Schulter nehmen sollte. Wenn wir schon auf der Erde feststecken, können wir uns auch ein wenig gehen lassen, findest du nicht?“
Ich schürzte die Lippen, aber sie war noch nicht fertig.
„Lächel doch mal! Vom vielen Grummeln kriegst du sonst noch Falten!“, sagte sie, nachdem sie ihre Hände wieder zu sich genommen hatte und aufgestanden war. Ich schnaufte und stand ebenfalls ab. Den Kasten räumte ich zusammen und schob ihn in mein Regal. Es kam kein Blut mehr nach, also war ein Verband wohl unnötig. Dann sparte ich mir immerhin die Kommentare anderer.
„Falten sind außerdem mein geringstes Problem. Chaos und Nervereien durch
gewisse Personen bereiten mir viel eher Kopfzerbrechen.“
Ich drehte mich zu ihr um und versah sie mit einem mehr oder weniger strengen Blick. Dann seufzte ich und rieb mir über den verspannten Hals. Violett beunruhigte mich in vielerlei Hinsichten. Unter anderem, weil ich mich nicht genug von ihr beunruhigen und ärgern ließ, obwohl sie so ein großer Störfaktor war.

Nach einem Blick in die Pfanne verzog Tristan das Gesicht. „Ich verzichte…“
Mit den Schultern zuckend nahm ich mir einen Teller und tat mir etwas vom noch warmen Rührei auf. Tristan griff nach einer Banane und während er langsam die Schale abzog und ich mir das – zugegeben ziemlich gute – Rührei in den Mund schaufelte, sah ich ihn aus dem Augenwinkel zu. Nicht ganz aus dem Augenwinkel. Vermutlich war es weniger unauffällig als ich beabsichtigte.
„Hast du eine Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll?“, fragte er.
Die Hand mit der Gabel kreiste leicht über den Teller, ehe es einen Teil des Opfer-Rühreis aufspießte und in meinen Mund beförderte. Nachdenklich sah ich zur gegenüberliegenden Wand.
„Naja. Je nachdem wie viel Erfolg unser Engelchen hat, diesen neuen einzufangen... sicher kann man auch ein paar Siegel ohne ihn finden - und ich hab vor, die Siegel zu finden. Die Menschen sind zwar durchaus interessant, aber solche Geschichten verlieren ihren Reiz, wenn man keine Wahl hat. Und ich hatte eigentlich keine Lust, unterzugehen.
Je nachdem also, wie störrisch das Arschloch ist, bekommen wir Probleme. Normalerweise würde ich sagen, Gewalt sei immer eine Lösung, aber für die Siegel brauchen wir seine Mitarbeit.“
Ich schaute auf meinen Teller hinunter und runzelte mit zunehmend finsterer Miene die Stirn.
„Meine Güte, ich frag mich echt, wie der sein Hirn verloren hat. Muss spektakulär gewesen, nach der Aufführung, die er geliefert hat, meinst du nicht?“
Den nun leeren Teller stellte ich neben mir ab und wandte mich Tristan zu. „In diesem einen Fall hoffe ich auf Lanas Erfolg. Leider...brauchen wir den Typen.“ Ich knirschte verdrossen mit den Zähnen und tippte mit den Fingerspitzen auf meinen verschränkten Armen herum.
„Und wenn sie keinen Erfolg hat“, ich wischte mir mit einer Hand eine Strähne aus dem Gesicht, „dann müssen wir temporäre Gewalt anwenden. Vielleicht haben wir dabei ja ein bisschen Spaß, entweder beim selbst hantieren oder beim Zuschauen. Vielleicht klatscht der Engel ja nochmal an die Wand?“