
Als ich gerade dabei war, die Kirche zu verlassen, spürte ich eine Hand auf meinem Arm, die mich am Gehen hinderte. Überrascht sah ich zuerst auf meinen Arm, dann in Calebs Gesicht, der daraufhin seine Umklammerung löste. Diese kurze Berührung hatte jedoch ausgereicht, um mich völlig aus der Fassung zu bringen. Mein Körper fühlte sich so an, als würden ihn lauter kleine Blitze durchzucken und ich sah plötzlich alles nur mehr durch einen Schleier. Ich bemerkte, wie sich Calebs Züge verdunkeln und wie gebannt starrte ich den Dämon neben mir an. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm lösen, auch, wenn ich es gewollt hätte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Gabriel plötzlich durch die Luft geschleudert wurde und dann vernahm ich ein dumpfes Geräusch. Kurzzeitig wandte ich mich von dem Dämon an, nur um einen am Boden liegenden Gabriel zu sehen. Verwundert drehte ich mich zu Caim um, doch zu spät realisierte ich, wen er sich als sein nächstes Angriffsziel ausgesucht hatte. Bevor ich jedoch irgendwie reagieren konnte, befand sich Caleb plötzlich vor mir, sein Gesicht war nur Millimeter von meinem entfernt. Geschockt riss ich die Augen auf, als er vor Schmerzen knurrte. Wie automatisch wanderte meine Hand zu meinem Herzen und ich schluckte. Anstatt mir, hatte Caleb nun die Attacke abbekommen. Aber wieso tat mir das trotzdem so weh?
Und plötzlich geschah alles so schnell. Caleb schnellte vor, packte Caim an der Kehle und stieß ihn gegen die Wand. Ich wusste auch nicht, wann Lana wieder die Kirche betreten hatte, denn wie aus dem Nichts stand sie plötzlich neben Caleb und schrie ihn an, er solle den Dämon los lassen. Wieso tat sie das? Und wieso spürte ich so eine unersetzliche Wut, die sich auf meine beste Freundin richtete? Ich schüttelte den Kopf und versuchte wieder ins Hier und Jetzt zurückzufinden. Meine Gedanken galten nur einem Anwesenden hier in dieser Kirche, nämlich Caleb. Der Rest war mir im Moment völlig egal. Ich fixierte den Dämon mit meinen Blicken, ich wollte ihm helfen. Als ich seinen verletzen Rücken sah, spürte ich den Schmerz so, als wäre er mein eigener. Ich spürte den Drang, an seine Seite zu laufen und Caim den Hals umzudrehen, aber gleichzeitig schämte ich mich für meine Gedanken. Ich war ein Engel, ich war nicht zum Töten geboren. Das…war nicht richtig. Doch als Caim Caleb mit einem Leuchter auf den Kopf schlug, war es um mich geschehen. Unwillentlich erzeugte ich eine kleine Lichtkugel mit der ich Caim anvisierte. In letzter Sekunde jedoch, ließ ich sie wieder im Nichts verschwinden. Ich wollte ihn blenden und verletzen aber ich wusste, dass allein diese Absicht falsch war.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, rannte ich auf Caleb zu. Als ich vor ihm zum Stehen kam, betrachtete ich seine Kopfverletzung und mir wurde schwer ums Herz. Ich warf Caim noch einen letzten wütenden Blick zu, ehe ich mich völlig auf den verletzen Dämon vor mir konzentrierte. Ich konnte immer noch nicht glauben, was hier gerade passiert war.
„Beruhig dich.“, sagte ich dann an Caleb gewandt und ich versuchte auch selbst meine eigenen Gefühle in den Griff zu bekommen. Ich berührte ihn sanft am Arm und plötzlich kam ich mir wieder wie elektrisiert vor.

Ich konnte nicht fassen, was sich da vor meinen Augen abspielte. Ein Dämon, der einen Engel beschütze? Ich hatte mit vielem gerechnet, aber davon hatte ich nicht zu träumen gewagt. Ich beobachtete das Schauspiel, das sich mir bot und innerlich schloss ich schon Wetten mit mir selbst ab. Ich persönlich tippte auf Caleb, der rasend vor Wut war. Ich konnte seinen Gefühlsausbruch nicht ganz nachvollziehen, aber das störte mich herzlich wenig, wenigstens bekam ich eine gratis Show angeboten. Es nervte mich zwar ein wenig, dass ich nicht mitten im Geschehen war, aber sogar ich wusste, wann es besser war, sich aus einer Sache rauszuhalten. Ich beobachtete Cassie, wie sie auf Caleb zuging und versuchte, ihn zu beruhigen. Mir kam die Situation trotz allem sehr merkwürdig vor. Calebs Auszucker und Cassies Reaktion ergaben keinen Sinn, aber ich konnte mir nicht erklären, wie es zu dieser Eskalation gekommen war. Ich konnte nicht leugnen, dass sie mir gefallen hatte und irgendwie wusste ich, dass es sich hierbei um einen epochalen Moment handelte.