
Das Gefühl des Erstickungstodes überkam Rowan beinahe so urplötzlich wie unvorhergesehen. Erschrocken und mit letztem Luftrest in der Lunge riss er seine Augen auf und rang nach Luft, während die Schwere auf seiner Brust nicht zu weichen vermochte. Panisch fuhr er hoch, hoffte, so seinem verfrühten Tod zu entkommen und vernahm das aggressive Fauchen erst, nachdem die Schwere von seiner Brust gewichen war und er ein schwerfälliges Rumpsen gehört hatte, das direkt von neben seinem Bett kam. Verwundert und noch immer nach Luft schnappend wanderte sein Blick automatisch zu der Stelle, von der er das Fauchen und Rumpsen gehört hatte, nur um dort seine Katze Dornröschen sitzen zu sehen, die ihn wie immer mürrisch und abschätzig anzusehen schien. Nun,zumindest wusste er, dass der Druck auf seiner Lunge kein Mordanschlag gewesen war. Zumindest keiner eines Menschen. Dass dieses übergewichtige, mürrische, verfressene Vieh mit dem verzottelten fleckigen Fell ihn nicht mochte und ihn umbringen wollte, wusste er ja schon seit längerem. Warum sie trotzdem bei ihm blieb, wusste er nicht, aber er vermutete, dass es daran lag, dass er sie fütterte und auf seinem Bett schlafen ließ. Einen anderen Grund konnte er sich nicht ausmalen. Die Hoffnung, dass sie so etwas wie Zuneigung für ihn empfand, hatte er schon lange aufgegeben.
"Auch dir einen guten Morgen, Lady Sleeps-A-Lot", murrte der Barde verschlafen und erntete nur einen weiteren abschätzigen Blick des eingebildeten Tieres. Unwillkürlich fuhr sich der Endzwanziger über die Brust, auf der immer noch ein Fels zu liegen schien. Gepaart mit den Verletzungen und den Nachwirkungen der... wirklich sehr unsanften Behandlung von Seth fühlte er sich beinahe wieder genauso verprügelt wie am Abend vor ein paar Tagen. Dass Rowan auf Johanniskraut allergisch reagierte, hatte er bis zur Behandlung Seths nicht gewusst. Nun, Seth meinte, dass die unangenehme Rötung zwar bald weg sein würde, aber Rowan fühlte sich beinahe noch schlechter nach der Behandlung. Aber solange es half, wollte Rowan die Zähne zusammenbeißen und sich nicht beschweren, wie ein echter Kerl eben.
Mit einem weiteren Murren schwang er seine Beine über den Bettrand und stand auf, um sich anzuziehen. Gestern Nacht hatte er den letzten Rest Wasser aus seiner Karaffe getrunken und musste nun zum Fluss Nachschub besorgen. Danach noch Lady Annoys-A-Lot versorgen, abschätzige Blicke als Dank ernten und sich danach mal wieder etwas nützlich machen. Fast schon fühlte er sich schlecht dabei, die letzten Tage so hilflos und bettlägrig gewesen zu sein. Es wurde Zeit, dass er wieder mit anpackte. Der gröbste Schmerz der Prügelei war verschwunden, sodass er ruhig wieder die ein oder andere Aufgabe erledigen konnte.
"Bin gleich zurück, Mylady", sprach er zu seiner stark übergewichtigen Katze wie zu einer Edeldame, "Euer untertäniger Diener wird nur schnell etwas frisches Wasser aus dem Fluss holen."
Die Reaktion der Katze war nur ein mürrischer Blick, wie immer. Rowan verdrehte nur die Augen.
"Oh bitte, beruhige dich, du fällst vor Freude ja fast um", meinte er noch sarkastisch, ehe er ihr ein wenig von den Fleischresten von gestern in ihren Napf gab und dann mit seiner Karaffe in der Hand seine Jurte verließ, um sein Ziel zu verfolgen. Doch schon, als er dem Ausgang des Verstecks näher kam, bemerkte er die Ansammlung Menschen, die sich dort gebildet hatte. Die roten Haare Astraeas erkannte er sofort, doch bei Aneela musste er zweimal hingucken, um sie als Aneela zu erkennen. Den Begleiter erkannte er gar nicht, falls er ihn denn kennen sollte. Er sah aus, als hätte er mit einem Bären gekuschelt. Erschrocken und unbewusst blieb der Mann bei der Gruppe stehen und blickte abwechselnd zu Aneela und dem übel zugerichteten Mann.
"Was ist euch denn widerfahren?", platzte es sofort aus ihm raus, "Habt ihr auch eine Schlägerei verloren?"
Dann zeigte er auf die Schnittwunden, die Aneelas Haut zierten.
"Mit einem Messer zu kämpfen ist in einer Schlägerei aber echt nicht fair. Gut, dass du uns erhalten geblieben bist. Seth hat gestern gute Salben aus Kräutern gegen Verletzungen zusammengemixt. Vielleicht solltet ihr ihn aufsuchen. Und guten Morgen, Astraea."
Astraea begrüßte er nur beiläufig. Viel zu erschrocken war er von den schlimm zugerichteten Personen vor ihm. Vielleicht wurde es langsam zu gefährlich, in die Taverne zu gehen, wenn immer mehr Leute verletzt wurden...